Rissprüfung an höchstbelasteten Bauteilen – Qualitätssicherung der Spitzenklasse

Neue Rissprüfanlage von MKV bei Aerotech Peissenberg

Flugzeuge und insbesondere Turbinen für Flugzeuge zählen zu den anspruchsvollsten Maschinen unserer modernen Gesellschaft. Von Turbinen wird absolute Zuverlässigkeit unter zugleich extremen Bedingungen als selbstverständlich vorausgesetzt. Zu den Extremen bei Turbinen gehören die mechanische Belastung durch höchste Rotationsgeschwindigkeit und Temperaturen von örtlich deutlich über 1.500 °C. Dabei unterliegen sie den immer wichtiger werdenden Anforderungen nach Gewichtseinsparung, geringerem Treibstoffverbrauch und geringerer Geräuschentwicklung. Erfüllen lässt sich dies unter anderem durch einen geringeren Materialeinsatz und Ausnutzung der maximal zulässigen mechanischen Festigkeit. Aerotech Peissenberg, ein Unternehmen, das insbesondere bei Teilen der sogenannten Klasse A1 – den rotierenden Teilen in Turbinen – zu den weltweit besten zählt, stellt sich den Herausforderungen.

Aerotech

Das Werk in Peissenberg wurde 1970 von MTU München gegründet; es wurde zur Bauteilherstellung für Schiffsdieselmotoren- und militärische sowie später auch für zivile Triebwerke als Produktionsstandort genutzt. Im Jahr 1996 entstand daraus die Aerotech Peissenberg GmbH als hundertprozentige Tochter der MTU Aero Engines. Im darauffolgenden Jahr übernahm der Unternehmer Robert Drosten das Werk zu 100 Prozent. Anschließend begann durch zukunftsweisende Investitionen in die Infrastruktur, in Maschinen und Anlagen sowie in die Kompetenz der Mitarbeiter der Wandel zu einem international tätigen Zulieferer der Flugtriebwerksindustrie.

2004 folgte die Übernahme der Sonomec Industrie im französischen Chateauroux, die heute als Aerotech France den Kleinteilebereich der Gruppe abdeckt. Weiter folgte im Jahr 2006 der Aufbau des tschechischen Standorts Aerotech Czech, der heute weitgehend die Vorbearbeitung der meisten Produkte übernimmt und zunehmend auch fertige Bauteile herstellt. 2011 erwarb die MT Aerospace Holding GmbH, ein Gemeinschaftsunternehmen der OHB AG und der Apollo Capital Partners GmbH, den bayerischen Triebwerkszulieferer sowie dessen Schwestergesellschaften in Frankreich und Tschechien.

Seit seiner Gründung hat sich der Standort Peissenberg zu einem innovativen und international agierenden Zulieferer von nahezu allen Triebwerksherstellern entwickelt. Komplexe mechanische Bearbeitung, Oberflächenveredelung sowie die Prüfung von sicherheitskritischen Bauteilen bis zu 1.250 Millimeter Durchmesser erfolgen im Werk Peissenberg. Um die Anforderungen für einen Einsatz im Triebwerk erfüllen zu können, werden vor allem schwer zerspanbare, hochfeste Nickel-Basis-Legierungen neben Titan (etwa 20 %) und speziellen Stählen (etwa 17 %) verarbeitet. Dazu sind nicht nur besondere Maschinentechniken und Werkzeuge erforderlich, auch die Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter ist entscheidend. Konstante Weiterbildung und die Einbindung aller Beschäftigten in den Innovations- und Wachstumsprozess sichert die Leistungsfähigkeit in allen Bereichen des Unternehmens.

Fertigungstechnik vom Feinsten

Für die Herstellung der hochkomplexen Teile stehen die modernsten Maschinen zum Drehen, Fräsen (5-Achs-Fräsanlage oder integriertes Drehfräsen), Raumen, Schleifen (Innen- und Außenrund-, Flachschleifen), Wuchten oder Läppen zur Verfügung. Wichtig bei der Produktion ist die exakte Einhaltung aller Maße. Daher spielen laufende Prüfungen der Dimensionen eine große Rolle ebenso wie das Prüfen des vollständig fehlerfreien Erscheinungsbildes der Teile durch die Werker in der Produktion. Dazu gehören entsprechende Messräume mit Geräten der modernsten Ausführung. Zur Rückverfolgbarkeit der gesamten Fertigungskette erhält jedes Bauteil seine individuelle Kennnummer.

Alle Bearbeitungsverfahren, auch Spezialdisziplinen wie das thermisches Beschichten von Verschleißschutzbeschichtungen, Einlaufbelägen, Anti-Fretting und Wärmedämmschichten, sind selbstverständlich von den einzelnen Kunden zugelassen und verfügen über eine für die Luftfahrt notwendige NADCAP-Zertifizierung.

Beeindruckend ist auch die umfangreiche Art der Untersuchung, die sich neben den Dimensionen auch auf die äußerlich nicht erkennbaren Eigenschaften wie die Zusammensetzung oder das Gefüge der Werkstoffe bezieht. Dies erfolgt über metallographische Schliffverfahren, Mikro- und Makroätzungen, Gefügebeschreibungen mithilfe der quantitativen Bildanalyse mit Korngrößenbestimmung nach EN643 und ASTM E112, die Bestimmung von Phasenanteilen und Dendritenarmabständen, die Bestimmung von Entkohlungs-, Nitrier- und Einsatzhärtetiefen oder Mikro- und Makro-Härteprüfverfahren, um nur die bekanntesten zu nennen.

Rissprüfung mit Anlagen von MKV

Für hochbelastbare Bauteile der A1-Klasse in Flugzeugtriebwerken sind Risse eine der gravierendsten Versagensursachen. Bei den auftretenden hohen Vibrationen und mechanischen Belastungen würden sie die Ausgangsstelle für ein frühzeitiges und katastrophales Versagen darstellen. Aus diesem Grund steht am Ende der Fertigung eine äußerst genaue 100-Prozent-Prüfung aller dieser Bauteile auf Risse. Das Verfahren basiert auf einem speziellen Öl, das eine hohe Neigung zum Kriechen aufweist und darüber hinaus bei Bestrahlung mit UV-Licht stark fluoresziert.

Die MKV GmbH ist einer der renommiertesten und erfahrensten Hersteller von Rissprüfanlagen für die Luft- und Raumfahrt. Dies war einer der Hauptgründe für die Auftragsvergabe von Aerotech an MKV zum Bau einer Anlage für die Prüfung von Teilen bis zu 1,25 Meter Durchmesser. Der Auftrag umfasste neben den dafür notwendigen Behältern und Transporteinrichtungen – gefordert ist hierfür ein halbautomatischer Betrieb – auch die gesamte Ausstattung der Anlage mit Wasser- und Medienversorgung, Ab- und Zuluft sowie die Ausstattung mit den Prüfkabinen einschließlich der erforderlichen UV-Lampen. Zur Qualitätssicherung der Aerotech-Produkte ist auch auf die exakte Einhaltung von Behandlungsparametern und auf die Dokumentation zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit zu achten.

Die auf einer Grundfläche von circa 220 Quadratmetern und einer Höhe von etwa fünf Metern entstandene Anlage verfügt über eine Rollenbahn zum Transport der Teile beziehungsweise über spezielle Gitterroste zur Ablauge und Aufhängung der unterschiedlichen Prüfteile. Im ersten Schritt wird die gesamte Oberfläche eines Teils mit dem Prüföl beschichtet. Dies erfolgt durch manuell ausgeführtes elektrostatisches Besprühen, das nahezu keinen Overspray aufweist und dadurch außerordentlich materialsparend ist. Nach dem Vorwaschen mit leicht erwärmtem Kreislaufwasser folgen die beiden ersten Präzisionsschritte: das Tauchen in einer Emulgatorlösung und anschließend in einer Lösung zum Stoppen des Emulgationsvorganges. Beide Schritte sind exakt zeitlich einzuhalten, einschließlich der Ein- und Ausfahrgeschwindigkeit. Nach einem Nachwaschen mit vollentsalztem Wasser, das nach dem Waschen zur Entsorgung gelangt, und dem Trocken der Teile folgt der zweite zeitkritische Schritt des Entwickelns. Bei diesem Schritt wird das in eventuell vorhandenen Rissen befindliche Öl an die Bauteiloberfläche gezogen und macht so eine Fehlstelle erst sichtbar. Abgeschlossen wird die Prüfung durch die visuelle Begutachtung unter UV-Licht. Dazu stehen bei der Anlage in Peissenberg zwei Prüfkabinen mit UV-Licht zur Verfügung. Diese sind vollkommen abgedunkelt, was durch regelmäßige Kontrollen im Rahmen der Produktionsüberwachung zu überprüfen ist.

Rissprüfanlagen dieser Art müssen über eine sehr hohe Zuverlässigkeit verfügen. Die Ausführung muss so erfolgen, dass bei den mit dem Öl in Berührung kommenden Teilen keine Risse vorhanden sind. Dies gilt vor allem für die Behälter und die vorhandenen Absaug- und Schutzeinrichtungen, da diese zu einem Verschleppen des Öls mit starker Verschmutzung der Anlage führen würden – etwas, das bei den anspruchsvollen Produkten und Forderungen an die Qualität bei Aerotech absolut zu vermeiden ist.

Jörg Wurzer, der bei Aerotech verantwortliche Qualitätsleiter und Qualitätsmanager, zeigte sich bei der Inbetriebnahme der Anlage im März sehr zufrieden mit der neuen Rissprüfanlage. Diese erlaubt es dem Unternehmen, die sich in den letzten Jahren abzeichnende deutliche Steigerung der Auftragszahlen auch in Zukunft bewältigen zu können. So haben sich die Arbeitsstunden bei Aerotech gegenüber 2013 um etwa 30 Prozent erhöht, womit eine Umsatzsteigerung von annähernd 60 Prozent auf Basis der Umsatzes in 2013 erzielt werden konnte. Insbesondere die Einführung von Neuteilen, im vergangenen Jahr waren dies etwa 100 neue Bauteilnummern, drücken die hohe Innovationskraft aus, die mit der steigenden Nachfrage nach treibstoffsparenden und leisen Triebwerken verbunden ist. Hauptabnehmer ist derzeit der britische Triebwerkshersteller Rolls Royce, beliefert werden aber nahezu alle Produzenten weltweit, sowohl für militärische als auch für zivile Anwendungen.

Jörg Wurzer ist seit 30 Jahren bei dem Unternehmen in Peissenberg tätig und hat die stetig steigenden Qualitätsanforderungen in seinen verschiedenen Positionen – in der mechanischen Fertigung und Weiterbildung zum Qualitätsfachmann – in allen Phasen hautnah erfahren. Er ist sicher, dass die neue Rissprüfanlage dazu beiträgt, die Unternehmensziele von Aerotech als erfahrenen Spezialisten in allen kritischen Bereichen entlang des Engineering-Prozesses zu erfüllen. Die Kunden werden auch künftig mit einem straffen Produktionsprozess, bei bester technischer Performance und branchenführender Qualität bedient. Die Anlage passt optimal in das Konzept, die hoch qualifizierten Mitarbeiter in einem starken Team mit den bestmöglichen Werkzeugen auszustatten und so eine hohe Wertschöpfungskette zu garantieren. Mit der Rissprüfanlage wurde die bisherige Einrichtung ersetzt und die Kapazität im Dreischicht-betrieb mehr als verdreifacht.

Peissenberg hat mit dieser Investition seinen Part in der Prozesskette neben den Werken in Tschechien und Frankreich und seine Position im Gesamtkonzern gefestigt. Durch die leistungsfähige, effiziente Technik bei kompromissloser Qualität, die langjährige Industrieerfahrung und das sehr spezifische Know-how kann sich Aerotech weiterhin an der Weltspitze behaupten.

(Quelle: WOTech Technical Media)